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Editorial

Wem nützt Netflix?

Streaming ist das Thema der Stunde. Das Verhältnis der Filmbranche zu dieser technologischen Entwicklung ist von einer Art Hassliebe und von Ängsten geprägt. Bedeuten die Plattformen den Untergang der Kinos, oder bieten sie dem jungen Publikum einen erschwinglichen Zugang zur Filmkultur? Eröffnen sie den Autoren neue Möglichkeiten, oder zerstören sie das komplexe System der Urheberrechte, indem sie das amerikanische Copyright durchsetzen? Stehen sie auf der Seite der Cinéphilen oder der Massenkultur? Sind solche Entweder-oder-Fragen überhaupt sinnvoll? Wem nützt Netflix?

Im Unterschied zur virtuellen Realität, die sich parallel zum Kino entwickelt und dessen Geschäftsmodell nicht in Frage stellt, können wir das Streaming nicht einfach ignorieren. Höchste Zeit also, dem Thema ein Spezial-Dossier zu widmen. Entstanden ist dieses dank einer Zusammenarbeit mit CultureEnJeu und dem Journal der SSA, wo die Texte ebenfalls (ganz oder gekürzt) veröffentlicht werden. Gemeinsam wagen wir einen Überblick über die politischen und wirtschaftlichen Fragen. Erschwert wurde die Arbeit durch die restriktive Kommunikationspolitik von Netflix: Die Plattform äussert sich nicht, lehnt Interviewanfragen ab und verpflichtet alle, die mit ihr zusammenarbeiten, vertraglich zu strenger Geheimhaltung. Wir interessierten uns deshalb auch für ihre (globalen) Konkurrenten, zudem für jene Schweizer und Europäer, die mit Netflix und in deren Umfeld arbeiten, sowie für die rechtlichen Fragen, die sich daraus ergeben.

Nach Europa will nun auch der Bund eine Abgabe respektive eine Reinvestitionspflicht für Online-Anbieter einführen. Somit würden diese gleich behandelt wie Fernsehsender, für die schon lange eine solche Regelung gilt. Es war an der Zeit, dass der Gesetzgeber seinen Marktliberalismus beiseitelegt und sich einer Problematik annimmt, die von so grosser kultureller Bedeutung ist, dass sie nicht mit dem Argument der unternehmerischen Freiheit abgetan werden kann.

Bisher ist noch wenig geschehen. Der Gesetzesentwurf über elek­tronische Medien, von dem wir erwarteten, dass er entsprechende Massnahmen enthalten würde, erwähnt VoD (trotz seines Namens) mit keinem Wort. Die Filmbranche hat dies bei der Vernehmlassung deutlich beanstandet. Nun ist eine politische Antwort erfolgt, jedoch nicht von Seiten des BAKOM, sondern vom BAK, im Entwurf zur neuen Kulturbotschaft. Dies ist ein ermutigendes Zeichen, doch der Geldhahn wird dadurch nicht sofort aufgedreht. Als Deutschland 2014 ein solches Gesetz einführte, prozessierte Netflix vier Jahre lang, um es zu umgehen.

Der Streaming-Gigant hat den Prozess verloren. Vielleicht wird er damit zu guter Letzt nicht nur sich selbst, sondern auch anderen nützen.

 

Pascaline Sordet

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